Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung 2023/988 (GPSR; General Product Safety Regulation) ist am 12. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden und gilt ab dem 13. Dezember 2024. Ziel ist eine europaweite Vereinheitlichung der bisherigen Vorschriften, die zudem den Anforderungen der Digitalisierung von Produkten und den Herausforderungen neuer Geschäftsmodelle gerecht werden. Die Verordnung gilt für alle in Verkehr gebrachte oder auf dem Markt bereitgestellte Produkte insoweit, wenn es im Rahmen des Unionsrechts keine weiteren spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte, wie zum Beispiel CE-Richtlinien oder andere Bestimmungen gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird. Folgende Produktbereiche sind aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen:
- Human- und Tierarzneimittel
- Lebens- und Futtermittel
- lebende Pflanzen und Tiere, tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte
- Pflanzenschutzmittel
- Beförderungsmittel und Luftfahrzeuge
- Antiquitäten
Die Verordnung erweitert die Pflichten und den Anwendungsbereich des aktuell geltenden Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) und ist mit wesentlichen Änderungen für alle Wirtschaftsakteure verbunden.
Wichtige Definitionen
Produkt
Jeder Gegenstand, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder
unentgeltlich — auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung — geliefert oder bereitgestellt wird und für
Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von
Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist.
Sicheres Produkt
Jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung, was auch die
tatsächliche Gebrauchsdauer einschließt, keine oder nur geringe mit seiner Verwendung zu vereinbarende, als
annehmbar erachtete und mit einem hohen Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher
vereinbare Risiken birgt.
Risiko
Das Verhältnis zwischen der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr, die einen Schaden verursacht, und der
Schwere des Schadens.
Zentrale Neuerungen
- Durchführung einer Risikoanalyse und Erstellung technischer Unterlagen zum jedem Produkt
- Angabe von Kontaktdaten (Name, eingetragene Handelsmarke, Post- und E-Mail-Anschrift zunächst der herstellenden Firma mit Sitz im Unionsmarkt, sowie Kennzeichnung zur Rückverfolgung (Typen-, Chargen und Seriennummer) direkt auf dem Produkt, nur ausnahmsweise auf Verpackung oder Begleitunterlagen
- Erstellung von Gebrauchsanleitungen und Sicherheitsvorschriften, leicht verständlich formuliert, in der Sprache des Landes, wo das Produkt bereitgestellt wird
- Meldepflicht bei produktbedingten Unfällen inkl. detaillierten Vorgaben für Rückrufanzeigen gegenüber Verbrauchern
- Pflicht zum proaktiven, kostenlosen Angebots von mindestens zwei Abhilfemaßnahmen bei Rückruf (Ersatz, Reparatur oder Erstattung)
- Einrichtung eines gewährleisteten Kommunikationskanal: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen, telefonisch oder online, leicht Kontakt zur jeweiligen Firma aufnehmen können
Pflichten der Wirtschaftsakteure
Händler
Die Pflichten der Händler sind in Artikel 12 der Verordnung 2023/988 aufgeführt.
Für Händler ergeben sich nur geringe Anforderungen:
- Sie müssen sich vergewissern, dass das Produkt vom Hersteller und Importeur als "sicher" eingestuft ist. Dies geschieht beispielsweise durch eine Prüfung der bereitgestellten Dokumente (Artikel 12 Nummer 1)
- Sie müssen sicherstellen, dass das Produkt bei Ihnen so gelagert und transportiert wird, dass das Produkt und dessen Konformität mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot nicht beeinträchtigt wird (Artikel 12 Nummer 2)
- Sobald Sie Grund zur Annahme haben, dass ein Produkt entweder nicht sicher ist oder nichtmehr sicher ist, so müssen Sie umgehend den Hersteller bzw. Importeur informieren und alle notwendigen Maßnahmen zum Rückruf unternehmen (Artikel 12 Nummer 3 und 4)
Übergang vom Händler zum Hersteller
Sobald Sie
- ein Produkt unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr bringen oder
- eine wesentliche Änderung am Produkt vornehmen
gelten Sie als Hersteller.
Hersteller
Hersteller sind gemäß der Verordnung "jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen oder herstellen lässt und
dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet".
Für Hersteller ergeben sich folgende Pflichten:
- Durchführung einer internen Risikanalyse und Erstellung von technischen Unterlagen, die mindestens eine allgemeine Beschreibung des Produkts und seiner für die Bewertung seiner Sicherheit relevanten wesentlichen Eigenschaften enthalten (Artikel 9 Nummer 2). Zusätzlich müssen in den technischen Unterlagen, sofern anwendbar, 1. eine Analyse der möglicheweise mit dem Produkt verbundenen Risiken und der gewählten Lösungen zur Beseitigung oder Minderung der Risiken, enschließlich der Ergebnisse aller Berichte über Tests und 2. eine Aufstellung aller einschlägigen europäischen Normen, die angewandt wurden, um dem allgemeinen Sicherheitsgebot zu entsprechen
- Alle technischen Unterlagen müssen auf dem neuesten Stand gehalten werden. Die Unterlagen müssen ab dem Inverkehrbringen des Produkts für einen Zeitraum von 10 Jahren aufbewahrt werden (Artikel 9 Nummer 3)
- Alle Produkte müssen, zur eindeutigen Identifikation, eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer tragen. Dies muss auf dem Produkt selbst geschehen. Wenn dies aufgrund der Größe des Produkts nicht möglich ist, können die erforderlichen Informationen auch auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage geschehen (Artikel 9 Nummer 5)
- Auf allen Produkten muss der Hersteller Name, eingetragenen Handelsnamen oder Handelsmarke, Postanschrift und E-Mail-Adresse angeben. Auch dies muss auf dem Produkt selbst geschehen, insofern aufgrund der Größe machbar (Artikel 9 Nummer 6)
- Allen Produkten müssen klare, leicht verständliche, Anweisungen und Sicherheitsinformationen in der jeweiligen Sprache des Mitgliedsstaats, in welchem das Produkt zur Verfügung gestellt wird, beiliegen (Artikel 9 Nummer 7)
- Bei der Annahme, dass ein Produkt nicht oder nichtmehr als sicher eingestuft werden kann, unterrichtet der Hersteller die Verbraucher und nachgelagerte Lieferkette, ergreift erforderliche Korrekturmaßnahmen und unterrichtet die Marktüberwachungsbehörde des zuständigen Mitgliedsstaats über das Safety-Business-Gateway (Artikel 9 Nummer 8 und 10)
- Es müssen öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle (Telefonnummer/E-Mail-Adresse/o. Ä.) zur Beschwerdemöglichkeit eingerichtet werden. Hier muss der Zugang für Menschen mit Behinderungen gewährleistet werden (Artikel 9 Nummer 11)
- Es muss ein internes Beschwerdeverzeichnis eingerichtet und gepflegt werden. Die Daten dürfen nur zum Zweck der Prüfung der Beschwerde gespeichert werden aber maximal 5 Jahre nach Eingabe der Daten (Artikel 9 Nummer 12 und 13)
Einführer/Importeur
- Auf allen Produkten muss der Importeur Name, eingetragenen Handelsnamen oder Handelsmarke, Postanschrift und E-Mail-Adresse angeben. Diese Angaben müssen, sofern aufgrund der Größe des Produktes machbar, auf dem Produkt selbst angebracht werden. Sollte dies nicht möglich sein, so ist eine Angabe auf der Verpackung oder beiliegenden Unterlagen erlaubt. Die Kennzeichnung darf nicht die vom Hersteller angebrachten Kennzeichnungen überdecken.
- Sie müssen sicherstellen, dass das Produkt bei Ihnen so gelagert und transportiert wird, dass das Produkt und dessen Konformität mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot nicht beeinträchtigt wird
- Allen Produkten müssen klare, leicht verständliche, Anweisungen und Sicherheitsinformationen in der jeweiligen Sprache des Mitgliedsstaats, in welchem das Produkt zur Verfügung gestellt wird, beiliegen
- Bei der Annahme, dass ein Produkt nicht oder nichtmehr als sicher eingestuft werden kann, unterrichtet der Hersteller die Verbraucher und nachgelagerte Lieferkette, ergreift erforderliche Korrekturmaßnahmen und unterrichtet die Marktüberwachungsbehörde des zuständigen Mitgliedsstaats über das Safety-Business-Gateway
- Die Einführer bewahren eine Kopie der technischen Unterlagen der jeweiligen Risikobewertung für einen Zeitraum von 10 Jahren auf und legen diese bei Nachfrage den Marktüberwachungsbehörden vor
- Die Einführer untersuchen eingereichte Beschwerden und erhalten Informationen über Unfälle, die die Sicherheit von Produkten betreffen. Der Prozess und das Ergebnis werden in einem Verzeichnis festgehalten
Wesentliche Veränderung eines Produktes
Eine "wesentliche Veränderung" (physisch oder digital) fand an einem Produkt statt, wenn
- durch diese Änderung das Produkt in einer Weise geändert wird, die in der ursprünglichen Risikobewertung des Produkts nicht vorgesehen war
- aufgrund der Änderung sich die Art der Gefahr geändert, eine neue Gefahr entstanden oder sich das Risikoniveau erhöht hat
- die Änderungen nicht von den Verbrauchern selbst oder in ihrem Auftrag für ihren eigenen Bedarf vorgenommen wurden.
Neue Aspekte für die Bewertung der Sicherheit von Produkten
- Eigenschaften des Produkts (Aussehen, technische Merkmale, Zusammensetzung, Verpackung)
- Wechselwirkung mit anderen Produkten
- Aufmachung des Produkts (Etikettierung, Alterskennzeichnung und Warnhinweise für eine sichere Verwendung, Entsorgung)
- Erscheinungsbild des Produkts, das den Verbraucher dazu verleitet, das Produkt anders zu verwenden als vom Hersteller vorgesehen (zum Beispiel Form und Farbe des Produkts)
- Cybersicherheitsmerkmale
- Sofern die Art des Produktes dies erfordert, die sich entwickelnden, lernenden und prädiktiven Funktionen